Antisemitismus galt in der DDR als „mit Stumpf und Stiel“ ausgerottet. Somit spielte die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Holocaust eine untergeordnete Rolle. Nach 1945 waren es zumeist kommunistische Juden, die in die DDR zurückkehrten. Ihre oft ambivalenten, persönlichen Erfahrungen will die Dokumentation aufzeigen. Salomea Genin, die als junge Kommunistin mit vielen Illusionen in die DDR kam, hoffte auch durch die Arbeit in der jüdischen Gemeinde etwas ändern zu können. Auch für den Schriftsteller und Journalisten Walter Kaufmann war die DDR Wahlheimat. Er findet erst spät zu seinen jüdischen Wurzeln zurück. Werner Lappe aus Dresden kommt mit seinen Eltern aus dem englischen Exil in die DDR. Er fühlt sich als sogenannter „Drei-Tages-Jude“, der nur zu den großen jüdischen Feiertagen in die Synagoge geht. Der Rocksänger Andre Herzberg spürte die Zerrissenheit der Mutter, wenn sie sich zwischen der kommunistischen Überzeugung und der jüdischen Religion entscheiden sollte. Für ihn wurde die jüdische Identität nach der friedlichen Revolution 1989 ein neuer Anker. Auch der Musiker Karsten Troyke erlebte schon in seiner Schulzeit wie einerseits Antifaschismus als Staatsdoktrin galt, andererseits war er im Alltag immer wieder mit antisemitischen Äußerungen konfrontiert. Der Historiker Prof. Wolfgang Benz erläutert im Film historische Zusammenhänge und ordnet diese im Rahmen der Antisemitismusforschung ein. „Schalom neues Deutschland – Juden in der DDR“ stellt die Biografien und die emotionalen Schilderungen der Protagonisten in den Vordergrund und zeigt, wie Juden in der DDR gelebt und gefühlt haben.
Im Anschluss an die Filmvorführung gibt der Protagonist des Films André Herzberg zusammen mit seiner Band ein Konzert.
Termin: 30. Oktober 2018, 20 Uhr
Ort: Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, 10178 Berlin
Verkehrsanbindung: U2 Rosa-Luxemburg-Platz
Eintritt: 12 Euro
Karten für die Veranstaltung erhalten Sie im Vorverkauf unter:
und an der Abendkasse im Kino Babylon.
Flucht und Ausreise spiegelten die politischen Verhältnisse der DDR, sie waren Indizien für eine andauernde Sehnsucht nach Freiheit und Mündigkeit. Mehr als fünf Millionen Menschen verließen zwischen 1949 und 1990 die DDR in Richtung Westen. Nachdem der Bau der Mauer 1961 die Flüchtlingsströme spürbar eindämmte, erreichten die Zahlen Ende der achtziger Jahre erneut dramatische Dimensionen.
Eine besondere Signalwirkung besaß der Weggang prominenter Künstler, denn sie waren Identifikationsfiguren. Ihr Seitenwechsel fand im Westen ein starkes mediales Echo und avancierte zum Politikum. Die Dokumentation „Nach drüben – Oststars wechseln die Seiten“ konzentriert sich auf den Bereich Rock- und Popmusik und rückt beispielhaft die Biografien von drei Zeitzeugen in den Mittelpunkt. Die Sängerin Veronika Fischer (*1951) pendelte mit einem Dauervisum zwischen den beiden Teilen Deutschlands, bis sie sich 1981 konsequent für den Westen entschied. Reiner Schöne (*1942), Sänger, Schauspieler und Musicalstar, flüchtete 1968 nach Westberlin und siedelte später in die USA über, wo er eine internationale Filmkarriere startete. Dietrich Kesslers (*1946) Gruppe Magdeburg stellte 1981 einen kollektiven Ausreiseantrag, weil sie von den Medien kaltgestellt worden war und keine Zukunft mehr in der DDR sah. Der Bandleader wurde inhaftiert und 1984 schließlich von der Bundesrepublik freigekauft.
Die Protagonisten des Films berichten über ihre Erfahrungen als Künstler in der DDR und schildern die äußeren wie inneren Konflikte, die letztlich dazu führten, dass sie ihr Land verließen. Gleichzeitig reflektieren sie über den schwierigen Weg in den Westen und die Herausforderungen konträrer gesellschaftlicher Systeme. Der Film greift außerdem die Geschichte der Gruppe Renft sowie die Ausbürgerung von Wolf Biermann und Nina Hagen auf. Die Kommentare des Musikwissenschaftlers Prof. Peter Wicke und der ehemaligen Rundfunkredakteure Olaf Leitner (RIAS) und Wolfgang Martin (DT 64) ordnen die Erinnerungen zeithistorisch ein.
Der Film „Nach drüben – Oststars wechseln die Seiten“ bildet gesellschaftliche und persönliche Transformationserfahrungen exemplarisch ab, die seit 1989 Millionen DDR-Bürger teilen. Das Medium populäre Musik schafft eine filmisch-emotionale Ebene und ist auf diese Weise viel mehr als der Soundtrack einer Zeit.
Die Dokumentation ist eine Koproduktion von Armadafilm mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Im Anschluss an die Filmvorführung gibt die Reiner-Schöne-Band ein Konzert, an den Keyboards Uli Gumpert. Außerdem stellen sich Veronika Fischer, Dietrich Kessler und Reiner Schöne den Fragen des Publikums.
15. November 2019, 20:00 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
Unkostenbeitrag Konzert 14€/10€ (ermäßigt) Vorverkauf:
http://ticket.volksbuehne-berlin.de/eventim.webshop/webticket/shop?event=19142
Veranstalter:
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Armadafilm, Robert-Havemann-Gesellschaft
Erstausstrahlung: rbb-Fernsehen, 10. Dezember 2019, 21 Uhr