Flucht und Ausreise spiegelten die politischen Verhältnisse der DDR, sie waren Indizien für eine andauernde Sehnsucht nach Freiheit und Mündigkeit. Mehr als fünf Millionen Menschen verließen zwischen 1949 und 1990 die DDR in Richtung Westen. Nachdem der Bau der Mauer 1961 die Flüchtlingsströme spürbar eindämmte, erreichten die Zahlen Ende der achtziger Jahre erneut dramatische Dimensionen.
Eine besondere Signalwirkung besaß der Weggang prominenter Künstler, denn sie waren Identifikationsfiguren. Ihr Seitenwechsel fand im Westen ein starkes mediales Echo und avancierte zum Politikum. Die Dokumentation „Nach drüben – Oststars wechseln die Seiten“ konzentriert sich auf den Bereich Rock- und Popmusik und rückt beispielhaft die Biografien von drei Zeitzeugen in den Mittelpunkt. Die Sängerin Veronika Fischer (*1951) pendelte mit einem Dauervisum zwischen den beiden Teilen Deutschlands, bis sie sich 1981 konsequent für den Westen entschied. Reiner Schöne (*1942), Sänger, Schauspieler und Musicalstar, flüchtete 1968 nach Westberlin und siedelte später in die USA über, wo er eine internationale Filmkarriere startete. Dietrich Kesslers (*1946) Gruppe Magdeburg stellte 1981 einen kollektiven Ausreiseantrag, weil sie von den Medien kaltgestellt worden war und keine Zukunft mehr in der DDR sah. Der Bandleader wurde inhaftiert und 1984 schließlich von der Bundesrepublik freigekauft.
Die Protagonisten des Films berichten über ihre Erfahrungen als Künstler in der DDR und schildern die äußeren wie inneren Konflikte, die letztlich dazu führten, dass sie ihr Land verließen. Gleichzeitig reflektieren sie über den schwierigen Weg in den Westen und die Herausforderungen konträrer gesellschaftlicher Systeme. Der Film greift außerdem die Geschichte der Gruppe Renft sowie die Ausbürgerung von Wolf Biermann und Nina Hagen auf. Die Kommentare des Musikwissenschaftlers Prof. Peter Wicke und der ehemaligen Rundfunkredakteure Olaf Leitner (RIAS) und Wolfgang Martin (DT 64) ordnen die Erinnerungen zeithistorisch ein.
Der Film „Nach drüben – Oststars wechseln die Seiten“ bildet gesellschaftliche und persönliche Transformationserfahrungen exemplarisch ab, die seit 1989 Millionen DDR-Bürger teilen. Das Medium populäre Musik schafft eine filmisch-emotionale Ebene und ist auf diese Weise viel mehr als der Soundtrack einer Zeit.
Die Dokumentation ist eine Koproduktion von Armadafilm mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg. Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Erstausstrahlung: rbb-Fernsehen, 10. Dezember 2019, 21 Uhr